Lieber Denis, Micha, Uli, Andi,
vielen Dank für eure Antworten und eure Mühe. Immerhin bin ich ja offenbar nicht ganz der einzige, der diese Fragen hat, vielleicht lohnt es sich also, das ganze weiterzuführen bis wir einen klaren Überblick verfaßt haben, der auch anderen zur Orientierung dienen kann.
Meine Antwort hat etwas auf sich warten lassen, weil ich versucht habe, alles zu lesen (auch die referenzierte Literatur) und zu durchdenken, soweit mir möglich. Ich nehme Michas Zusammenfassung auf und ergänze ihn etwas, mit Fragen darin und danach.
A Kalibrierung
1 Als Bedingung für das Monitor-Farbmanagement benötigt man für reproduzierbare Ergebnisse einen definierten Basiszustand.
2 Diesen Basiszustand erreicht man über eine Kalibrierung (= Linearisierung) des Monitors.
3 Kalibrierung = Monitorvoreinstellung (nämlich Gammakorrektur, Weißwert (Weißpunkt, Farbtemperatur), Grauachse (erzielt Graubalance) und Luminanz (Gesamthelligkeit)), und zwar
3a als Softwarekalibrierung in der Grafikkarte, also in der Veränderung des Signals, das an den Monitor geht, oder
3b als Hardwarekalibrierung in Form mechanischer Einstellungen im Monitor selbst.
3.1 (Diese Kalibrierung heißt Linarisierung, weil es das Monitorbild an die Umgebungsbedingungen anpaßt und so perzeptuelle Linearität herstellt.)
4 Bei der Hardwarekalibrierung ergeben sich keine Tonwertverluste. Anders bei Berechnungen über die Grafikkarte (Softwarekalibrierung).
4.1 Messen und hardwareseitiges Nachjustieren findet nicht statt. (Gemessen wird in der Profilierung, vgl. 5)
B Profilierung
5 Nach der Kalibrierung erfolgt die Profilierung (Charakterisierung) des Monitors. Hierbei wird durch das Einmessen definierter Farbfelder mittels Colorimeter/Spektralfotometer der Farbraum des Monitors erfaßt und in Form eines Monitor-ICC-Profiles gespeichert.
6 Das Monitor-Profil wird beim Softproofing für die möglichst akkurate Darstellung dessen verwendet, was andere Augabegeräte (Druckergebnisse oder Darstellung an anderen Monitoren (mit anderen RGB-Farbräumen) verwendet (z.B. in Photoshop, Acrobat).
C Validierung (Profilüberprüfung)
8 (s.o., Andi) mißt den Abstand zwischen den erwarteten und den tatsächlich angezeigten Monitorfarben. — Ist das nicht genau das, was eigentlich in 5 geschehen soll? Welche Erwartung ist hier der Bezugspunkt? Die Erwartung laut Kalibrierung, oder die laut Profil? — S.u., Frage II.
Frage I.
zu 4-1, 5 und 8. Meine Grundfrage wäre hier: ergeben sich aus den Einstellungen, die in der Kalibrierung vorgenommen werden, Sollwerte (anstatt daß nur physikalische Werte eingestellt werden, etwa die, welche Spannung an welche Diode (?) angelegt werden soll) ?
Wenn JA (Möglichkeit I-a), dann verstehe ich nicht (I.1) warum (4.1) auf die Messung hin nicht nachjustiert, sondern die Abweichung lediglich ins Profil geschrieben wird; außerdem (I.2) nicht, was der Unterschied zwischen 5 und 8 ist (denn wenn der erwartete Farbwert sich aus der Einstellung, nicht aus der Messung ergibt, dann tut 8 doch genau das, was 5 schon tut, nur nocheinmal. Und wenn auf die Differenz der in 8 gemessenen Ist-Werte von den Sollwerten nach Einstellung (nicht nach Profil) nachkalibriert werden kann, warum kann das nicht gleich nach der Profilierung (5) oder vielmehr schon wie 4.1 geschehen?
Wenn NEIN (Möglichkeit I-b), dann erklärt sich, warum 4.1 nicht stattfindet, und es wird klar, daß auf die Meßergebnisse der ersten Profilierung (5) hin nicht nach- oder neukalibriert wird (denn es handelt sich ja ohne Sollwerte auch nicht mehr um Abweichungen). Das Profil stellt dann nur noch eine Korrelation zwischen Eingabe (dem Signal, das von der Graphikkarte kommt) und Ausgabe (dem gemessenen Licht) dar (etwa in einer Look-Up-Table).
Nebenbei stellt sich an die Hypothese I-b aber doch die Frage, ob es nicht wenigstens bei der Einstellung der Graubalance einen Sollwert, nämlich meßbare Neutralität gibt. Und läßt sich bei der Einstellung des Weißpunktes auf einen bestimmten Kelvin-Wert nicht einfach messen, ob dieser erreicht ist?
Frage II.
zu C und 8 (was ist Validierung)
Validierung (wenigstens in EIZOs ColorNavigator, ähnlich aber auch in den Bildern vom Spyder4pro, die Micha uns zeigt) überprüft aber nicht nur das jeweilige Profil an seinen eigenen Meßwerten zum Zeitpunkt der Kalibrierung, sondern mißt auf ganz andere RGB- und Druckprofile hin – indem es Farben in ihnen von geeigneter Anzeigesoftware anzeigen läßt und den gemessenen mit dem Sollwert (der bei Druckergebnissen und vermutlich auch bei RGB-Anzeichen in CIE-LAB und CIE-XYZ vorliegt) vergleicht – und teilt die Differenzen mit. Ich habe das voreingestellte „Kalibrationsziel“ (was wohl die verschiedenen in der Kalibrierung vorgenommenen Einstellungen zusammenfaßt) „Druck“ auf: Anzeigesoftware Photoshop CC, zu emulierendes Profil: FOGRA39 ISOcoated_v2_300_eci validieren lassen. Ich hänge die Ergebnisse an; soweit ich verstehe, ist das Kalbrierungsziel „Druck" nach diesen Ergebnissen für den Softproof eines Druckes in diesem Profil unbrauchbar.
Was muß ich tun, um ein Kalibrierungsziel zu erstellen, das für das Softproofen des jeweiligen Druckprofils möglichst geeignet ist? Wie finde ich heraus, welche Einstellungen dafür richtig sind?
Ich bin nicht sicher, ob diese Frage richtig ist. Ist der Zweck des Kalibrierens überhaupt der, für die Emulation eines Druckprofils möglichst geeignete Einstellungen vorzunehmen? Oder nur der, den Monitor an Umgebungsbedingungen und, mit dem Weißpunkt, an die Papierfarbe anzupassen? Es scheint doch ersteres der Fall zu sein; jedenfalls bietet ColorNavigator schon nativ Kalibrierungsziele für verschiedene Emulationszwecke an (nämlich Druck, Photographie und Webdesign).
Frage III
Wenn die Gammakorrektur nur eine Linearisierung ist, warum kann man dann unterschiedliche Gammawerte (und sogar den Wert L*) auswählen?
Soweit erstmal.
Nochmal vielen Dank, Grüße
N.
CG247(42721016) FOGRA39 ISOcoated_v2_300_eci-21,72016-1PSCC.pdf