App macht iPhone zum Hörgerät

Forscher der University of Essex haben eine App veröffentlicht, die das iPhone zur Hörhilfe macht. Basis dafür ist ein neuartiger Algorithmus, der besser das natürliche Hören im Ohr widerspiegeln soll. Dadurch verspricht das Projekt „BioAid“ eine bessere Feineinstellung, als sie bei derzeit handelsüblichen Hörgeräten möglich ist. Die gleichnamige App soll nun insbesondere schwerhörigen Nutzern helfen, die sich aus diversen Gründen noch kein klassisches Hörgerät antun wollen. Ihr Feedback wiederum soll den Wissenschaftlern helfen, langfristig eine neue Generation wirklich einfach nutzbarer Hörhilfen zu ermöglichen.

„BioAid“: App lockt mit flexiblen Einstellungen (Foto: essex.ac.uk)

Die Verwendung eines Smartphones anstelle eines echten Hörgeräts ist dem Team zufolge kein Problem. „Die Soundqualität, die das Handy liefert, ist sehr hoch und die meisten Ohrhörer können das auch wiedergeben“, erklärt Projektleiter Ray Meddis. Wichtig ist vor allem die Wahl passender Kopfhörer, die möglichst ein Inline-Mikrofon haben sollten. „Das ist beim iPhone ohnehin Standard“, meint der Psychologieprofessor. Das macht das Smartphone als Hörhile praktischer.

Während herkömmliche Hörgeräte oft nur einfache Standardeinstellungen haben, bietet die BioAid-App sechs vorgegebene Profile, die zudem jeweils vier Regler für die Feinjustierung bieten. Das soll es Nutzern erlauben, durch Ausprobieren auch ohne professionellen Hörtest für sie persönlich optimale Einstellungen zu finden – und gleichzeitig die Hemmschwelle für die Nutzung senken. Damit will das Team beispielsweise Menschen ansprechen, die zwar einen beginnenden Hörverlust bemerken, aber noch nicht auf klassische Hörhilfen zurückgreifen wollen. Auch junge Schwerhörige soll die Lösung ansprechen – immerhin sind iPhone-Ohrstecker cooler als ein echtes Hörgerät.

„In der Praxis empfehlen wir die Verwendung von Ohrsteckern mit Inline-Mikrofon. Das erlaubt es, das Handy in der Tasche zu lassen und vermeidet viele Probleme“, betont in diesem Zusammenhang Meddis. Gleichzeitig ist die App auch darauf ausgelegt, ein möglichst gutes Hörerlebnis zu bieten. Statt wie herkömmliche Hörgeräte einfach alle Geräusche zu verstärken, ist der BioAid-Algorithmus darauf ausgelegt, ähnlich wie das Ohr selbst Lärm oder plötzliche laute Geräusche zu dämpfen. Für die Verwendung ist es daher optimal, wenn die genutzten Ohrstecker auch schalldämpfend fungieren, damit der Nutzer wirklich nur das hört, was die iPhone-App vorgefiltert hat.

Wenngleich die iPhone-App gerade Nutzern, die vor klassischen Hörgeräten noch zurückschrecken, reale Vorteile verspricht, ist sie im Prinzip eine Testumgebung für den neuen Algorithmus. „Das Handy ist eine tolle Plattform, um Hörhilfs-Technologie aus dem Labor in die Hände der Öffentlichkeit zu bringen“, meint Nick Clark, der wesentlich an der App-Entwicklung in Essex beteiligt ist. Das Team erhofft sich von Usern Feedback für die Weiterentwicklung. Denn langfristig könnten immer kompaktere Handys in Kombination mit dem Algorithmus Hörgeräte ermöglichen, an denen bei Bedarf Experten Feinjustierungen auch aus der Ferne vornehmen können.

Dass BioAid erst für Apple-Geräte erschienen ist, hat einen einfachen Grund. „Ich habe mich zunächst dem iPhone gewidmet, weil es eine überlegene Audio-Latenz hat“, erklärt Clark gegenüber pressetext. Inzwischen sollte Android aufgeholt haben, eine Portierung also möglich sein. Er selbst will sich dem in absehbarer Zeit aber nur widmen, falls es einen echten Run auf die iOS-Version gibt. Doch wäre denkbar, dass andere Interessenten in die Bresche springen. „Der Kernalgorithmus ist quelloffen, also könnte jeder seine eigene Umsetzung vornehmen“, betont der BioAid-Entwickler. (pte)

Andreas Roth

... ist Geschäftsführer der PRAD ProAdviser GmbH & Co. KG und darüber hinaus Chefredakteur von PRAD. Er stellte im März 2002 die Internetseite Prad.de mit dem Schwerpunkt Display Technologie online. Privat gilt er als absoluter Serienjunkie und Netflix Fan.

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